Elisabeth Savin ist für das Sommersemester nach Norwegen gezogen. Dort belegt die Online-Journalismus-Studentin von Anfang Januar bis Mitte Juni Kurse des Studiengangs „Medien und Kommunikation“ an der Hochschule Oslo und Akershus. Wie ein Tag in Oslo abläuft und was einen Medienstudenten in den Kursen erwartet, zeigt sie hier im Protokoll.
8:00 Uhr
Der Wecker klingelt. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und gehe in die Küche. Aus dem Schrank hole ich mir eine Scheibe Brot und Nutella, die kaum nach Nuss schmeckt. Mein Frühstück habe ich im KIWI gekauft. Vergleichsweise ist das einer der billigsten Supermärkte in einer der teuersten Städte der Welt. Gegenüber dem Schrank befindet sich eine Wand, fast komplett aus Glas. Ich sehe die Häuser des Studentenwohnheims Sogn vor mir. Hinter ihnen, tiefer gelegen, sind ein paar Hochhäuser von Oslo zu sehen. Dahinter das Meer. Das Gebäude ist still. Ich schätze meine Mitbewohner schlafen noch. In der WG sind siebenZimmer, bisher sind wir aber nur zu viert: zwei Deutsche, eine Tschechin und eine Dänin.
8:40 Uhr
Mit einer Karte schließe ich die Tür zu meinem Zimmer ab. Wenige Treppenstufen trennen mich von der Januarkälte. Heute sind -3 Grad Celsius, in Darmstadt ist es etwas wärmer. Ich stapfe durch den Schnee und muss aufpassen, dass ich nicht auf den eisigen Stellen ausrutsche. Quasi direkt vor meiner Haustür ist die Bushaltestelle Solvang. Ich überquere die Straße und warte auf den Bus, der mit ein paar Minuten Verspätung eintrifft.
9:10 Uhr
An der Haltestelle Dalsbergstien steige ich aus. Ich laufe nur wenige Minuten zur Høgskolen i Oslo og Akershus, kurz HiOA. Im Gebäude P48 durchquere ich die Bibliothek zum Aufzug. Im fünften Stock liegen etwas versteckt Räume für den Fachbereich Medien und Kommunikation.
9:30 Uhr
Im Raum für „Web Publishing and Information Architecture“ stehen säuberlich aneinander gereihte Tische mit einem Computerbildschirm für jeden Studenten. Vorne begrüßt uns Andreas – in Norwegen nennen die Studenten ihre Dozenten beim Vornamen. Er redet über die Grundlagen von html. Für die letzte Stunde bekommen wir eine Beispielseite, die wir nachstellen sollen. Andreas geht von Tisch zu Tisch, um seine Hilfe anzubieten.
11:30 Uhr
Die internationalen Studenten gehen nach unten ins Bistro. Ich hole mir ein Baguette für 350 NOK, das entspricht ungefähr vier Euro. Um die Ecke gibt es auch eine Mensa, die ein Büffet mit Salat und Hauptgerichten anbietet. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befinden sich Subway, Kebabläden und Domino’s Pizza. Einzig der Pizzen ähnelt preislich den deutschen Pendants.
12:30 Uhr
In Information and Communication Theory preist Robert Vaagan seine Verbindungen zu interessanten Leuten an, denen er teilweise Jobs beschafft hat. Jede Woche lädt er Gastsprecher ein. Heute sind es Helene Svabø, die für das SOS Kinderdorf Norwegen in der Marketingabteilung arbeitet, und Finn Lützow-Holm Myrstad, der für die Firma Forburkerrådet die Geschäftsbedingungen von Apps liest und große Firmen auf Lücken und Gesetzeswidrigkeiten hinweist.
Forburkerrådet hat durch öffentliche Aufmerksamkeit zum Beispiel Apple dazu bewegt, die Bedingungen von iCloud zu verändern. Die internationalen Studenten sitzen links, die Mehrzahl der Norweger rechts. In der Pause kommen wir mit den einheimischen Studenten ins Gespräch. Sie laden uns zum Vorglühen (Norwegisch: Vorspiel) vor der Party heute Abend ein. In Norwegen ist es normal sich vorher zum Trinken zu verabreden, dann zu einer Party zu gehen und anschließend beim Nachspiel weiter zu feiern. Die Discos machen schließlich schon um drei Uhr morgens zu.
15:30 Uhr
Mit Tram und Bus geht es wieder Richtung Studentenwohnheim. Zwischen den Wohnungen befindet sich der Supermarkt Rema 1000. Ich mache einen kurzen Abstecher dorthin und kaufe eine Packung Käse. An der Kasse zahle ich mit Karte. In Oslo kann man so gut wie überall mit Karte bezahlen. Es ist zwar noch möglich, aber selten, dass bar gezahlt wird.
19:30 Uhr
Uns internationalen Studenten wurde am ersten Tag erzählt, dass Norweger sich gerne in „Blasen“ aufhalten. sich einzugliedern und Freundschaften zu schließen. Deshalb sei es ratsam bei sozialen Aktivitäten mitzumachen. Ich habe mich für Quidditch entschieden. Das beste norwegische Team trainiert in der Majorstuen skole. Erst joggen wir die Treppen hoch ins oberste Stockwerk. Dort werden ein paar Dehnübungen gemacht, danach geht es in eine kleine Halle. Die meisten der Spieler tragen rot-weiße Trikots, mit dem OSI Vikingsemblem auf der Brust und einem Wikingerschiff in der Mitte. Den Neulingen, also mir und drei anderen, wird das Beaten und Chasen erklärt. Dazu gibt es ein paar Übungen. Mit dem Quaffel, einem Volleyball, üben wir das Passen. Danach stellen sich alle zu zwei seperaten Kreisen auf. In der Mitte steht ein Chaser mit dem Quaffel. Die Leute im Kreis versuchen mit zwei Dodgeballs den Chaser abzuwerfen. Nach dem Quidditchtraining reden wir noch ein bisschen. Die Mehrzahl der Spieler sind Norweger. Entgegen des stereotypischen Bildes sind sie offen und freundlich.
21:30 Uhr
Wieder zu Hause angekommen, mache ich mich für die Party fertig. Mit zwei Deutschen aus dem Studentenwohnheim kaufe ich ein Sixpack Bier. Pro Dose zwei Euro, im Rema. Alkohol wird streng gehandhabt: Hochprozentiges gibt es nur in besonderen Läden zu teuren Preisen. Bier und Wein darf zwar in den Supermärkten verkauft werden, aber an Wochentagen nur bis 20 Uhr. An Sonn- und Feiertagen ist der Verkauf verboten. Der Campus hat eine Art Discothek für Studenten, zu der wir in unserer ersten Woche gegangen sind. Außerdem gibt es in der Hochschule die Kellerbar Samfunnet Bislet, in der wöchentlich ein Pubquiz stattfindet. Es ist mit Sofas eingerichtet und wird von einer Studentenorganisation am Leben gehalten. Heute gehen wir zum Feiern in die Stadt. Zuerst treffe ich mich mit meinen internationalen Kommilitonen. Nach dem Vorglühen gehen wir mit den Norwegern zur ESN-Willkommensparty. ESN, Erasmus Student Network, ist eine Organisation, die immer wieder coole Veranstaltungen abhält. Beispielsweise organisieren sie Stadtführungen und Ausflüge zu Fjorden oder nach Lappland. Die Party findet im Ophelia statt. Im oberen Bereich ist tagsüber ein Restaurant, die Treppe hinunter wartet eine Disco mit kleiner Tanzfläche. Weil ich mir die Feier wie die Mensaparty in Darmstadt vorgestellt hatte, bin ich von der Größe her und der geringen Anzahl an Leuten ein bisschen enttäuscht. Die Musik ist jedoch gut, und Spaß macht es trotzdem.
2:55 Uhr
Freitags und samstags fahren bis vier Uhr morgens alle halbe Stunde Nachtbusse vom Campus zu Studentendörfern. Die Busse halten direkt vor der Hochschule, die nicht weit von der Discothek entfernt ist. Ich warte einige Minuten in der Kälte, bis er ankommt. Der Bus ist voll von betrunkenen Leuten. Nach zwölf Minuten erreicht er Sogn. Ich brauche nur wenige Schritte, bis ich bei der Nummer 42 bin. In meinem Zimmer sinke ich schließlich dankbar ins Bett.